In-App-Käufe

Lootboxen bei Brawl Stars oder lieber Panini-Bilder kaufen?

Das Spiel Brawl Stars gehört seit einigen Monaten zu einem der Spiele, von dem Schülerinnen und Schülern in unsren Workshops in sechsten Klassen regelmäßig berichten. Dabei ist das Spiel grundsätzlich nichts besonderes: in Teams treten die Spielerinnen und Spieler gegeneinander an und müssen verschiedene Aufgaben meistern. Interessanter ist das Bezahlmodell des Anbieters „Super Cell“.

Um sich Vorteile durch verschiedene Gegenstände oder neue Spielfiguren zu erschaffen, können „Brawl-Boxen“ (in Form von Kisten) gekauft werden. Die Bezahlung erfolgt über Münzen bzw. Juwelen, die im Spiel als Belohnung erspielt werden können. Außerdem kann auch über In-App-Käufe bezahlt werden. Dieser Mechanismus ist soweit nichts Neues. Auch in anderen Spielen können virtuelle Gegenstände mit realem Geld bezahlt werden. Das besondere bei Brawl Stars ist, dass die Spielerin oder der Spieler nicht weiß, was sich in den Kisten befindet, bevor sie geöffnet wird.

Sind die Brawl-Boxen eine Form von Glücksspiel?

Kisten mit Gegenständen wie Waffen sind in vielen Computerspielen üblich und werden als Lootboxen („Beute-Kiste“) bezeichnet. Auch, dass vorher nicht klar ist, was sich in der Kiste befindet, ist üblich. Kritisch gesehen wird von verschiedenen Seiten, dass bezahlbare Lootboxen in den Bereich des Glückspiels fallen. Einher mit dem Vorwurf des Glücksspiels geht auch die Sorge des Suchtpotentials eines Glücksspiels. Träfe dieser Vorwurf juristisch zu, wäre das Spielen von Brawl Stars für Kinder und Jugendliche verboten.

Seitens der Anbieter wird darauf verwiesen, dass die Spiele generell auch gespielt werden können, ohne dass Lootboxen für reale Währung erworben werden müssen. Natürlich wäre ein solcher Weg wesentlich umständlicher und langwieriger, sodass viele Kinder und Jugendliche aus pragmatischen Gründen Lootboxen über In-App-Käufe erwerben.

Sonderangebote machen In-App-Käufe besonders schmackhaft

In unseren Workshops berichten einige Kinder, dass sie ihr Taschengeld über mehrere Wochen sparen, um sich entsprechende Sonderangebote leisten zu können. „Das 109,- EUR Paket lohnt sich, da bekommst du die meisten Juwelen“. Einzelne Schülerinnen und Schüler erzählen, dass sie bereits über 500 EUR investiert haben. Dabei geht es nicht nur um Taschengeld, sondern auch um Juwelen als Geschenk zum Geburtstag.

Dass für Spiele Geld ausgegeben wird, ist nicht grundsätzlich problematisch. Gute Unterhaltung ist es wert, dass dafür bezahlt wird. Das gilt natürlich auch für Apps. Bisher war es aus unserer Erfahrung allerdings so, dass nach und nach eher geringe Beträge gezahlt werden und nicht auf einen Schlag über 100,- EUR ausgegeben werden. Der Anbieter scheint es geschafft zu haben, durch entsprechende Sonderangebote und Rabatte hier eine neue Bereitschaft bei Kindern geschaffen zu haben, viel Geld auszugeben.

Pädagogischer Auftrag

Es stellt sich die Frage, was ist jetzt aus pädagogischer Sicht an dem Bezahlmodell von Brawl Stars tatsächlich neu ist und Pädagogik und Erziehung vor neue Herausforderungen stellt. Das Investieren von über 100,- EUR sollte nicht pauschal verteufelt werden. In einer Diskussion mit einer sechsten Klasse sagte ein Schüler sinngemäß, dass es doch seine Entscheidung ist, ob er für 100,- EUR Brawl Stars spielt oder sich teure Schuhe wünscht, die er auch nur ein halbes Jahr trägt, weil sie ihm dann doch nicht mehr gefallen. Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Nach wie vor fällt es vielen Erwachsenen schwer, nachzuvollziehen, für virtuelle und somit nicht anfassbare Gegenstände Geld zu bezahlen. Allerdings sind Theaterkarten zwar anfassbar, stellen aber nicht den Gegenwert dar, den ich bezahle. Der Genuss eines Theaterbesuchs lässt sich ebenfalls nicht anfassen, kann aber individuell sein Geld wert gewesen sein. Von daher sollte hier keine grundsätzliche Diskussion über das Pro und Kontra von In-App-Käufen geführt werden.

Viele Kinder nehmen es als Problem wahr, dass bei vielen Spielen in Momenten In-App-Käufe getätigt werden (müssen), in denen man emotional stark in den „Spielflow“ involviert ist. Hier ist die Bereitschaft dann größer, unreflektiert „mal eben“ Geld auszugeben. Dies scheint aber bei Brawl Stars zumindest dann nicht der Fall zu sein, wenn Kinder wochenlang sparen. Hier lohnt es sich, genauer hinzugucken.

Spannender ist der Gedanke des Glückspiels. „Wenn ich nicht weiß, was in den Kisten ist, würde ich doch kein Geld ausgeben“, fasste es eine Schülerin die Diskussion zusammen. Nun ist es so, dass diese Schülerin ohnehin kein Brawl Stars spielte und so wenig Verständnis für die In-App-Käufe hat. Dennoch könnte hier der Fokus einer Diskussion mit Kindern liegen: wenn ich Geld ausgebe, dann doch bitte für Gegenstände die ich wirklich brauche.

Sollten Lootboxen tatsächlich im Sinne eines Glücksspiels verboten werden?

Der Ruf nach Verboten erscheint oft reflexartig zu ertönen, wenn es um neue Herausforderungen für die Medienerziehung geht. Sicherlich wäre das Leben für Eltern einfacher, wenn es keine Spiele mit Kindern als Zielgruppe gäbe, deren Geschäftsmodell auf dem Kaufen von Lootboxen beruht. Unabhängig davon, ob sich der Gesetzgeber irgendwann dazu entscheidet, Spiele dieser Art für Kinder zu untersagen, besteht jetzt unmittelbar Handlungsbedarf.

Lernen können Eltern vielleicht von einer ganz anderen Freizeitbeschäftigung: dem Sammeln von Panini-Bildern. Beim Kauf einer Tüte Panini-Bilder ist nicht klar, welche Fußballspieler bspw. enthalten sind. Dennoch wird die Kultur der Sammelbilder seit Jahrzehnten gepflegt. Effektiv kann ein komplettes WM-Album mehr als 50,- EUR kosten. Im Unterschied zu den kleinen Tütchen mit Fußballern haben die Programmierer einer Lootbox die Möglichkeit, den Inhalt nicht zu 100% dem Zufall zu überlassen, sondern die Gegenstände individuell (wenn nicht sogar) manipulativ so zu verteilen, dass ein weiterer Kauf sich anbietet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Gegenständen bei Brawl Stars ist sicher die Tauschkultur, die mit den Sammelbildern einhergeht. Interessanter ist aber die Bewertung der Eltern, die oft als Kinder auch schon ihr Taschengeld am Kiosk gelassen haben z.B. für den dritten Lother Matthäus oder zweiten Oli Kahn.

Viele Eltern begleiten ihre Kinder beim Sammeln und interessieren sich für die entsprechende Leidenschaft. Auf diese Weise findet eine Begleitung mit positiver Wertschätzung statt und ggf. sogar pragmatischen Tipps, wo vielleicht doch durch geschicktes Tauschen ein Euro gespart werden kann.

Vielleicht liegt hier die Lösung: die Kinder konstruktiv zu begleiten und ihnen nicht das Gefühl zu geben, dass es ausschließlich Schwachsinn ist, einen weiteren „Brawler“ haben zu wollen. Auf diese Weise erzählen Kinder vermutlich viel mehr, was sie gerade im Spiel beschäftigt und sind so auch empfänglicher für die Sorgen und Gedanken der Eltern. Doch wie so oft stoßen wir Erwachsene, die eben mit Panini-Bilder aber eben nicht mit In-App-Käufen aufgewachsen sind, an unsere Grenzen …

Dieser Beitrag wurde am 29.01.2020 verfasst.



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