Diskussion

Aktive Mediennutzung als klassische Aufgabe von außerschulischer Jugendbildung

Jugendarbeit unterscheidet sich von schulischer Bildung vor allem durch den freiwilligen Zugang zu Bildungsinhalten, der lebensweltlichen Anbindung dessen, was gelernt wird und durch eine wesentlich assoziativere Verknüpfung der Inhalte von Bildung als beispielsweise in der Schule. Hier liegt die Stärke der außerschulischen Jugendbildungsarbeit – gerade in Bezug auf Medienkompetenzvermittlung!

ein Beitrag von Georg Gunkel-Schwaderer (SJD-Die Falken) und Moritz Becker (smiley e.V.)

„Lernen am laufenden Band“, nach den eigenen Bedürfnissen, in der eigenen Geschwindigkeit und vor allem ohne formale Bewertung: da kommt das Gefühl auf, ganz nebenbei zu lernen – und dies sogar noch sehr intensiv. Der aktive, schöpferische aber auch kritische Umgang mit Medien und Medieninhalten, ausgerichtet an den eigenen Bedürfnissen, eingebettet in die eigene Lebenswelt ist eine typische Aufgabe für die außerschulische Jugendbildung!

Aktive Medienarbeit ist generell eine Form der Aneignung der Welt, der aktiven Teilhabe, des Gestaltens und des Blickes über den Tellerrand. Kinder und Jugendliche bekommen die Möglichkeit, sich zu verwirklichen – als Künstler, als Urheber aber auch als politischer Mensch. Insofern kann hier schon von einer wichtigen Säule des demokratischen Gemeinwesens gesprochen werden, die mittels aktiver Medienarbeit wahrnehmbar wird.

Fremd- und Selbstwahrnehmung als Thema in der Jugendarbeit

Die Jugendphase ist vor allem durch eine subjektiv neue Qualität der Identitätsentwicklung gekennzeichnet. Dabei spielt das dialektische Verhältnis zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung eine zentrale Rolle. Wenn sie gelingen will, darf die Ebene gesellschaftlicher Konventionen, auf deren Basis die Bewertung und Orientierung der Wahrnehmungsprozesse stattfindet, nicht fehlen. Ein selbst erstelltes Medienprodukt kann dabei das Vehikel darstellen, an dem Selbst- und Fremdwahrnehmung erprobt werden kann.

Ein Beispiel: Selbstdarstellung bietet immer auch Angriffsfläche – das weiß jeder, der sich einmal im Internet persönlich dargestellt hat und nicht nur positives Feedback erhalten hat. Nehmen wir als Beispiel einen selbst produzierten Gesangs-Clip bei YouTube. Eine besonders große Enttäuschung erlebt jemand, der sich in seinem Video selbst als besonders talentiert wahrnimmt, objektiv betrachtet aber nicht viel mehr als ein blutiger Anfänger ist. YouTube ist nicht die Bühne für Anfänger, zu brutal können hier die Kommentare anderer wirken!

Aktive Medienarbeit kann hier als Übungsfeld verstanden werden, um die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu thematisieren. Dies findet in der Regel im Lebensumfeld, im benachbarten Jugendzentrum oder in der Peergroup statt und wird dort unter anderem mit den je eigenen subkulturellen Bewertungsschemata konfrontiert. Dabei sind die Reaktionen auf das Medienprodukt wahrhaftig, diskutierbar und authentischer als im virtuellen (und vermeintlich anonymeren) Raum des Internets.

Urheber haben Rechte – das wollen vor allem Urheber

Die Auseinandersetzung mit Urheberrechten findet bereits im Schaffensprozess eines Medien-Workshops statt. Für ein Hörspiel werden Geräusche und Musik benötigt, für das eigene Musikvideo ein Beat, für den Trickfilm das Musik-Bett oder eine GreenScreen-Kulisse aus dem Internet... Hier kann dann, wie selbstverständlich in das Thema eingeflochten, eine Sensibilität für das Werk des Urhebers geschaffen und vor allem auch das eigene Werk als solches in den Vordergrund gestellt werden. Fragen wie „Wie fändest du es, wenn dein Musik-Clip nun von anderen für deren Werke benutzt wird?“, „Was würdest du sagen, wenn jemand dein Musik-Stück, deinen Beat oder dein Bild einfach benutzt und ihm seine Message aufdrückt?“ tragen dazu bei, das eigene Medienprodukt als einen Wert wahrzunehmen, den man dann auch anderen Werken zugesteht.

Gleichzeitig können hier mittels Internetrecherche auch Zugänge zu kostenfreien und nicht oder eingeschränkt verwertungsrechtlich geschützten Inhalten vermittelt werden.

Partizipation als Kernaufgabe der jugendpflegerischen Tätigkeit

Die niedersächsische Gemeindeordnung sieht in § 22 e vor, „[…] Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde […] geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.“

Auch hier bietet sich die aktive Medienarbeit gerade zu an: Nirgendwo sonst kann Beteiligung so niedrigschwellig stattfinden! Idealerweise gelingt es sogar, Jugendliche als Moderatoren in einem solchen Prozess zu gewinnen.

Konkret heißt das, dass mittels aktiver Medienarbeit Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt werden können, für ihre Anliegen zu werben, ihre Meinung zu Partizipationsanlässen niedrigschwellig zu veröffentlichen und Medienprodukte zu erschaffen, die eine Anbindung an klassische Mediengattungen wie Hörfunk oder sogar Fernsehen erlauben. Der eigene Jugendgruppen-Blog oder Plattformen wie YouTube oder audiyou.de erlauben es, die eigene Meinung oder Anregungen für Veränderungen in der Kommune, dem Landkreis oder sogar auf Landesebene zu publizieren und so auch weiteren NutzerInnengruppen einfach zur Verfügung zu stellen.

Partizipation heißt neben Mitmachen, Mitbestimmen und Mitentscheiden eben auch Mitteilen und für die eigene Sache zu werben. Dies multimedial zu können bedarf verschiedener Fähigkeiten, die allesamt im Baacke’schen Medienkompetenzbegriff erscheinen und hier – bei partizipativen Anlässen – ihre „Veredelung“ erfahren.

Der Stellenwert der außerschulischen Jugendbildung

Jugendarbeit muss sich hier aus den oben genannten Gründen selbstbewusst als eigenständiges Bildungsangebot behaupten und profilieren. Beispielsweise entfaltet der Begriff der „Freiwilligkeit“, in informellen Lernsettings eine unglaubliche Kraft und steht lerntheoretisch in seinem Gewicht außer Frage. Er sollte deutlich prägnanter in Bildungsansätzen wiederzufinden sein, denn nach einer oft zitierten Studie der UNESCO von 1972 erwerben wir rund 70% unseres Wissensinventars außerhalb der Schule. Auch wenn diese Studie bereits vierzig Jahre alt ist scheint sie vor dem Hintergrund der Vermittlung und Entwicklung von Medienkompetenz aktueller denn je!

Georg Gunkel-Schwaderer arbeitet als Medienpädagoge bei der Mobilen Medienarbeit der SJD - Die Falken. Die Aktive Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen musste aus Personalgründen vorübergehend eingestellt werden. Nachdem 6 Jahre lang aus Eigenmitteln und den Einnahmen aus den Medien-Workshops der Betrieb aufrecht erhalten werden konnte, ist dies nun nicht mehr leistbar. Die Initiative erhofft sich dennoch, dass die Bildungspolitik in Niedersachsen ihren Blick auch auf nonformale und informelle Bildungsansätze richtet, diese in ihrer hohen Qualität würdigt, ihre spezifischen Bedarfe berücksichtigt und langfristig in einer umfassenden Bildungslandschaft mit ihrem vollen Gewicht einbindet.

Dieser Beitrag wurde am 15.12.2012 verfasst.
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